Alpen 1999: Chur, Umbrail-Pass, Stilfser Joch, Gavia-Pass, Bernina-Pass

 

Landschaftlich abwechslungsreich und fahrerisch anspruchsvoll. So kann diese Tour beschrieben werden. Vor allem der Gavia-Pass in Italien gehört zu den Herausforderungen. Dagegen ist die Schotterpassage am Umbrail ein Kinderspiel. Etwas Ausdauer verlangt das Stilfser Joch: über 140 Kehren erwarten den Fahrer vom Umbrail bis nach Gomagoi und zurück nach Bórmio.

In Kürze:

Chur, Landquart, Klosters, Davos, Flüela-Paß, Susch, Zernez, Ofenpass, Sta. Maria, Umbrail-Pass, Stilfser Joch, Bórmio, Gavia-Pass, Édolo, Aprica-Pass, Stazzona, Poschavio, Bernina-Pass, La Punt, Albula-Pass, Bergün, Tiefencastel, Thusis, Chur

450 km, 11,5 h

Im Detail:

Fantastische Strecken, Superpässe und tolle Panoramen erwarten uns auf dieser Tour. Dafür heißt es früh aufsteh'n, will man sie auf einmal fahren. Es läßt sich daraus auch gut eine Zwei-Tagestour machen. Von Chur bis Landquart folgen wir dem Rheintal flussabwärts auf der Autobahn, die keine fahrerischen Nachteile gegenüber der Landstraße bringt. An Landquart vorbei begleiten wir das gleichnamige Flüsschen in seinem einmal enger und weiter werdendem Tal auf der 28 durch den Prättigau bis Klosters-Platz. Der Prättigau ist eine anheimelnde Landschaft aus sanften, grünen Berghängen ohne schroffe Kanten und Felsen.

Nach Küblis verlassen wir das Tal und klettern am bewaldetem Hang empor. Zur Freude nimmt die Kurvendichte zu. Nach einem Waldstück breitet sich vor einem der Walserort Klosters aus. Der Ort ist ein Inbegriff für Skifahrer und entsprechend mit Hotels durchsetzt. Ein historisches Highlight ist das wiederaufgebaute Nutli-Hüsli aus dem 16. Jahrhundert.

Flüela-PassIn Klosters folgen wir der Beschilderung nach Davos, das wir über den Wolfgangspass (1630 m) erreichen. Über diese Kuppe -- mehr ist dieser Pass nicht -- führt ein sehr schöner alpiner Streckenabschnitt durch Wald. Es geht rechts vorbei am Davoser See nach Davos-Dorf. Hier halten wir uns links an die Ausschilderung zum Flüela-Pass (2382m) und freuen uns, dass es gleich hinter Davos kurvig bergan geht.

Langsam aber sicher führt die Strecke ins Hochgebirge -- die Vegetation wird stetig karger -- bis hinein in ein Meer aus Stein und Felsbrocken, durch die sich kleine Bäche ihren Weg bahnen. Aber nicht nur die landschaftlichen Veränderungen zu beobachten macht Spaß, sondern auch die Fahrt: viele nicht zu enge Schwünge erlauben zügiges Tempo mit großen Schräglagen. Am Scheitelpunkt führt der Flüela-Pass zwischen den beiden 3000ern Weiß- und Schwarzhorn auf 2383m hindurch und wir kommen hinunter nach Susch. Hier fahren wir Richtung Ofen-Pass. In einem anfangs etwas langweiligen Verlauf führt die 28 weiter durch das von steilen Waldhängen begrenzte Inn-Tal bis nach Zernez, einem sehr schönen Ort mit italienischem Flair. Der weitere Streckenverlauf bringt sofort wieder Freude. Gleich hinter Zernez steigt die Straße durch den Nationalpark an und zwängt sich links an der steil abfallenden und imposanten Schlucht des Spöll-Tals vorbei.

Der Schweizer Nationalpark ist eine urwüchsige Landschaft. Nach Kahlschlägen im vorigen Jahrhundert hat man wieder aufgeforstet und überlässt jetzt die Natur sich selbst. Umgeknickte und vergammelte Bäume gehören deshalb einfach zum Bild. Auch würde man gerne den Bartgeier, einen Vogel mit bis zu 2,8m Spannweite, hier wieder ansiedeln.Vor'm Ofen-Pass

Kurz vor dem Abzweig nach Livigno führt die Straße durch eine Senke, links am Grenzübergang nach Italien vorbei. Wir fahren geradeaus weiter in Richtung Meran/Ofen-Pass. Der Anstieg ist nicht sonderlich steil. Enge Kehren gibt es deshalb nicht und man kann flott durch die Kurven ziehen. Dennoch sollte genügend Bremsweg eingeplant werden, da vor allem an den vielen Parkplätzen Wanderer unterwegs sein können. Als wir die Strecke fuhren, waren es aber höchstens eine Handvoll. So machte die Fahrt riesigen Spaß.

Über den Ofen-Pass (2149m) führt die Straße hinunter nach Sta. Maria, einem hübschen kleinen Ort am Fuß unseres nächsten Vorhabens, dem Umbrail-Pass. Mit 2501m ist dies der höchste Schweizer Pass. Gegenüber dem gut ausgebauten Ofen-Pass kommt jetzt ein anderes Extrem. Teilweise über Schotter geht es in 34 Kehren den Berg hoch. Anfangs führt die Fahrt durch Wald, der aber immer mehr Moosen, Flechten und einzelnen Grasbüscheln weicht. Keine Sorge vor dem "Offroad"-Teil: die gut verdichtete Splittstraße bereitet keine Probleme. Keine Spurrillen, keine Schlaglöcher, keine Splittseen und keine großen Steigungen. Lediglich die Oberfläche ist etwas rutschig. Aber darauf kann man sich einstellen. Da der Umbrail als Verkehrsader eigentlich keine Rolle mehr spielt, ist er nur von Ende Juni bis Ende Oktober geöffnet. Oben angekommen geht es über die Grenze nach Italien auf das Stilfser Joch mit 2757m. Umbrail-Pass

Der Schlenker vom Umbrail über das Stilfserjoch hinunter nach Gomagoi und wieder zurück ist ein Muß! Der Stilfersjoch strotzt einfach nur so von Kehren. Auf der Westseite sind es 48, auf der Ostseite 39. So kommen wir am Stilfserjoch auf rund 140 Kehren bis wir in Bórmio unterhalb des Osthanges sind. Deshalb legt man gerne auf dem Scheitel eine Pause ein. Genug zu gucken gibt es allemal, denn das Stilfserjoch ist "voll erschlossen". Die Galerien an der Ostseite sind teilweise recht eng und düster, insbesondere wenn man in den Regenwolken fährt wie wir diesesmal.

In Bórmio halten wir uns im geschäftigen Gewühl Richtung Gavia-Pass, dem heutigen "Abenteuer". Es geht anfangs lässig durch das Furva-Tal nach S. Caterina, bevor sich der Weg eng und schmal den Gavia hochschraubt. Wir sind schon breitere Pass-Straßen gefahren, die -- im Gegensatz zum Gavia -- nur Einbahnverkehr erlaubten. Anfangs bewegen wir uns durch Almwiesen und kleine Wäldchen. Bald wird die Gegend aber archaischer. Nur noch Büschel aus hartem, spitzen Gras finden genügend Lebensgrundlage. Nach der Passhöhe bei 2618 m wird die Straße nochmals einen Tick schmäler und bietet sagenhafte Blicke in den Abgrund. Sicheres Beherrschen des Motorrades ist hier überlebenswichtig. Auch sollte man keine Probleme mit Höhenangst haben. Oft bewegt man sich am Rand des Abhangs oder muß dort stoppen, um Autos und sogar anderen Motorrädern auszuweichen.

Irgendwie sind wir froh und stolz zugleich, in San Appolonia angekommen zu sein und fahren das letzte Stück nach Ponte di Legno mit der Zufriedenheit auch diese Strecke mit 1400m einfachem Höhenunterschied gut gepackt zu haben. Stilfser Joch

In Ponte di Legno geht es weiter Richtung Édolo. Entlang des Flüsschens Oglio führt uns die gut ausgebaute ss39 dorthin. Die Hände bekommen etwas Erholung vom vielen Kuppeln und Bremsen. Durch Édolo hindurch wird es etwas eng, wir folgen der ss39 weiter nach Apricia. Diese schlängelt sich häufig am Hang entlang und wäre supergut zu fahren, wäre nicht so viel Verkehr. Nach Madona heißt es auf den Abzweig nach Stazzona aufpassen. Das Sträßchen geht etwas unvermittelt rechts ab und führt im Laubwald dem Hang hinunter. Ab und zu taucht der Kirchturm auf und bietet ein gute Kontrolle des Höhenverlustes. Kurz vor der ss38 geht es über die Adda und wir biegen rechts ab nach Tirano/Bórmio. Ein recht gerader Abschnitt führt uns vorbei an Apfelplantagen. Die Eisenbahn ist manchmal zum Greifen nahe. In Tirano halten wir uns links Richtung Schweiz und kommen schnell an die Grenzstation. Von hier aus zeigt die Beschilderung nach Pontresina und Poschiavo den richtigen Weg durch das Puschlav. Ab Tirano beginnt die Landschaft auf der ersten Höhenstufe mit den Weinbergen des Veltlins, vom Lago si Poschavio geht die zweite Stufe bis etwa Cavaglia mit Gärten und Obstbäumen und erreicht mit dem dritten Absatz die Höhen des Piz Palü mit 3905m. Poschavio ist das Herz des Tals.

Nach San Carlo beginnt der Aufstieg auf den Bernina-Pass. Der Bernina ist ein gut ausgebauter Pass mit nicht allzu engen Kurvenradien, die gute Schräglagen erlauben. Nach den ersten Kurven kommt man auf eine Hochebene, der sich nochmals ein Satz Kurven -- diesmal etwas enger -- anschließt. Oben angekommen auf 2330m zeigt sich links ein riesiger Gletschersee in fantastischem Grün. Die Auffahrt führt häufig am Hang entlang durch Waldstücke. Die Abfahrt erfolgt anfangs über eine weite steinige Ebene bevor man wieder im Wald landet. An der Stelle an der die Eisenbahnschienen im Wald die Straße kreuzen hat man links bei den Sitzbänken den besten Ausblick auf den Gletscher Piz Palü. Unterhalb des Berninas an Pontresina vorbei bahnt sich der Weg durch ein breites, von hohen Gipfeln umringtes Tal. Kurz vor Samedan gleicht die Strecke einem "Alpen-Highway". Noch bevor es in den Ort geht, folgen wir rechts der Beschilderung nach Scuol und Zernez.

Die topfebene Straße führt uns bis nach La Punt. Hier biegen wir links zum Albula PasshöheAlbula-Pass ab. Die kleine, teilweise schlechte Straße schraubt sich anfangs durch Almwiesen und kurz danach durch Wald. Blicke hinunter in Tal verdeutlichen den schnellen Höhengewinn. Nach der Baumgrenze öffnet sich ein breites Hochtal, eingerahmt von spärlich begrünten, steilen Hängen. Dieses bleibt, bis man bei 2315m die Spitze erreicht. Aufgrund der schlechten und engen Straßenverhältnisse findet man am Albula kaum WoMos und Busse -- zu unserer Freude. Nach dem Passieren der Passhöhe geht es steiler bergab als zuvor bergan. Die unwirtliche Steinwüste aus Geröll und eckigen Felsbrocken ist aber nach wie vor allgegenwärtig. Die Felsen kommen nur etwas näher an die Fahrbahn. Aber bald finden Bäume wieder genügend Lebensgrundlage und es geht durch jede Menge Wald bis hinunter nach Bergün. Dabei kreuzt häufiger die Rhätische Bahn mit den typischen Viadukten den Weg.

Bergün ist ein sehr hübscher Ort mit großen Engadinerhäusern, durch enge Gassen miteinander verbunden. Die Fernsehserie "Die Direktorin" wurde hier gedreht. Im Winter begeistert Rodelfans die Abfahrt von der gesperrten Albulastraße. Mit der Bahn geht es auf den Nordhang des Albulas nach Preda und dann mit dem Schlitten rund fünf Kilometer bergab.

Nach Bergün geht es in flacherem Terrain weiter über Tiefencastel nach Thusis. Zurück nach Chur nehmen wir die Autobahn, da die Landstraße fast parallel läuft. Außerdem werden wir die Strecke noch auf einer anderen Tour über Thusis, durch die Via Mala, befahren.

Fazit: Eine wirklich große Tour, nicht nur von der Länge: die Panormanen, Landschaften und verschiedenen Straßentypen sorgen für ständige Abwechselung und dauerhafte Eindrücke. Die Kurvenorgie am Stiflser Joch und die Nebelfahrt am Gavia Pass werden wir nie vergessen.